Acht Glasen auf der Schiffsglocke
Bremen. Ein Blumenkranz schwimmt dort auf den Wellen im Meer, wo kurz zuvor die Urne versenkt wurde: Bei maritimen Beisetzungen verabschiedet sich die Trauergemeinde in einer würdevollen, intimen Atmosphäre. Als Abschiedsgruß werden Blumen in das Wasser fallen gelassen und die Schiffsglocke schlägt in acht sogenannten Glasen – der viermalige Doppelschlag steht in der Seefahrt sowohl für das Ende einer Wache als auch symbolisch für den Übergang vom irdischen Leben zum Tod, weshalb er bereits bei traditionellen Bestattungen von Seefahrern Verwendung fand. Heutzutage wird die Glocke auch bei anderen Seebestattungen auf diese Weise geschlagen. Anschließend umkreist das Schiff noch einmal den Beisetzungsort, bevor es zurück zu seinem Heimathafen fährt.
Nachdem die Urne vom Kapitän dem Wasser übergeben wurde, schwimmt ein Blumenkranz im Meer. (Foto: Ingo Wagner/DPA)
Jahrhunderte an Tradition
„Die Seebestattung zählt mit zu den ältesten Bestattungsformen überhaupt. Sie stellt in Deutschland eine traditionell gewachsene Art der Beisetzung dar. Die Asche des Verstorbenen wird nach einer Trauerfeier mit seemännischen Gepflogenheiten und Ritualen auf dem Meer würdig beigesetzt“, erklärt Elke Herrnberger vom Bundesverband Deutscher Bestatter.
Die letzte Ruhestätte im geliebten Meer war früher nur Menschen vorbehalten, die einen beruflichen Bezug dazu hatten. Seit Anfang der 1970er Jahre ist in Deutschland eine maritime Beisetzung nunmehr für alle möglich, die sich dem Wasser verbunden fühlen.
Alexander Helbach von der Verbraucherinitiative Bestattungskultur Aeternitas berichtet: „Gewöhnlich finden Seebestattungen in Nord- und Ostsee in speziellen Gebieten im Bereich des Küstenmeeres statt. Viele Anbieter verfügen zudem über Möglichkeiten außerhalb deutscher Gewässer, zum Beispiel im Mittelmeer. Eine Beisetzung auf Binnengewässern ist in Deutschland nicht zulässig.“
Die Gründe für den Wunsch nach der ewigen Ruhe auf offener See sind vielfältig: Häufig sind es die Sehnsucht nach Weite und Freiheit oder aber die Suche nach einer pflegeleichten, unkomplizierten und kostengünstigen Beisetzungslösung, unter anderem aufgrund der wegfallenden Verpflichtung zur Grabpflege. Manchmal soll es vor allem eine unkonventionelle Bestattung abseits eines klassischen Friedhofes sein. Elke Herrnberger ergänzt: „Viele Menschen hatten einen sportlichen oder romantischen Bezug zum Wasser und verbrachten viele ihrer Urlaube dort.“
Abhängig von der individuellen Ausgestaltung können Seebestattungen eine naturnähere und klimafreundlichere sowie – unter der Beachtung von Folgekosten – auch preiswertere Bestattungsform sein als Erdbestattungen.
Trauerfeier und Seeurnen
An Bord der Schiffe kann in der Regel eine Trauerfeier abgehalten werden, auf Wunsch begleitet von einem Geistlichen, einem freien Trauerredner oder dem Kapitän. Anonyme Beisetzungen auf See hingegen finden gänzlich ohne Trauergemeinde statt.
„Bestattungen auf dem offenen Meer erfordern zunächst die Einäscherung des Leichnams. Anschließend kann die Beisetzung außerhalb der Dreimeilenzone in bestimmten Seegebieten stattfinden. Die Angehörigen haben die Möglichkeit, die Urne bis zur Übergabe an das Meer zu begleiten“, beschreibt Elke Herrnberger den Ablauf einer Seebestattung.
Die speziellen Urnen, die während der Beisetzungsfahrt über Bord in das Wasser hinabgelassen werden, bestehen aus leicht löslichem Material wie Muschelkalk, Zellulose, Sand-Salzgemisch oder Maisstärke. Alexander Helbach betont: „Auch alle weiteren Materialien müssen sich im Wasser auflösen, beziehungsweise umweltverträglich sein. Die Gestaltungs- und Auswahlmöglichkeiten sind hier vielfältig.“
Gedenkorte und -fahrten
„Seebestattungs-Reedereien bieten häufig auch Gedenkgottesdienste und Erinnerungsfahrten für Angehörige an. Der Ort der Versenkung wird schriftlich festgehalten. Nach der Bestattung können Seekarten mit der eingezeichneten Stelle der Urne ausgestellt werden. Diese werden den Hinterbliebenen zusammen mit einer Kopie des Logbucheintrages ausgehändigt“, so Alexander Helbach. Zunehmend gebe es an den Küsten Gedenkorte als Anlaufpunkte für Trauernde. Dort könnten zum Teil Tafeln zur Erinner-
ung angebracht werden. Karte, Gedenkfahrten und Gedenkplätze werden auch als sekundäre Trauerorte bezeichnet.
Nachfrage steigt an
„Die Zahl der Seebestattungen nimmt seit Jahren zu. Schätzungsweise werden zwei bis drei Prozent der Verstorbenen auf See beigesetzt. Nachgefragt werden diese Bestattungen mittlerweile in ganz Deutschland, auch wenn der Anteil im Norden – in Küstennähe – weiterhin höher ist“, berichtet der Experte. Elke Herrnberger bestätigt: „Die Nachfrage hat sich in den letzten zehn Jahren etwa verdoppelt, liegt aber immer noch im einstelligen Prozentbereich.“
Sie fügt hinzu: „Grundsätzlich gibt es nur zwei Bestattungsarten, die Erdbestattung und die Feuerbestattung. Aus deren Wahl ergeben sich dann verschiedene Möglichkeiten.“ Zu den Feuerbestattungen zählen neben anderen Formen wie Urnenbeisetzungen oder Baum- und Diamantenbestattungen auch Beisetzungen auf See.
Das Verhältnis von Erd- und Feuerbestattungen hat sich inzwischen verschoben: „Der Bundesverband Deutscher Bestatter spricht von über 70 Prozent Feuerbestattungen – Tendenz steigend. Wir konstatieren dabei ein starkes Ost-West- und Nord-Süd- sowie Stadt-Land-Gefälle“, analysiert Elke Herrnberger die Zahlen.
Für einen Wandel der Bestattungskultur sorgt auch der gesellschaftliche und kulturelle Wandel, unter anderem durch die verstärkte Mobilität der Menschen. Angehörige wohnen zum Teil weit entfernt und können sich nicht regelmäßig um die Grabpflege kümmern. Bei der Bestattung im Meer entfällt diese.
Elke Herrnberger stellt fest: „Die Seebestattung folgt, wie alle individuellen Bestattungsformen, der allgemeinen gesellschaftlichen Entwicklung – so verdeutlichen zum Beispiel Themenfriedhöfe die Individualisierung oder Begräbniswälder und Gemeinschaftsgrabanlagen die Nomadisierung.“
Bestatter bieten Beratung
Der Leistungsumfang einer Seebestattung hängt von den Kundenwünschen ab. Alexander Helbach beschreibt den klassischen Ablauf: „In der Regel übernimmt ein Bestattungsunternehmen vor Ort die Abholung der Verstorbenen, die Erstversorgung und weitere notwendige Dienstleistungen – wie den Transport zum Krematorium. Anschließend wird die Urne an ein Seebestattungsunternehmen an der Küste überführt. Die Angebote umfassen im Allgemeinen das ganze Leistungsspektrum von der anonymen Beisetzung ohne Angehörige bis hin zur großen Trauerfeier an Bord, auch inklusive musikalischer Untermalung, Trauerreden oder Bewirtung.“
Neben der eigentlichen Beisetzung bieten Bestattungsunternehmen eine umfassende Beratung an, um über die vielseitigen Möglichkeiten zu informieren. So können die Wünsche der Kunden und Angehörigen frühzeitig besprochen, einbezogen und dokumentiert werden.
Denn Elke Herrnberger gibt als Voraussetzung für eine Seebestattung zu bedenken: „Es muss eine Willenserklärung des Verstorbenen vorliegen, aus der hervorgeht, dass seine letzte Ruhestätte das Meer sein soll. Dazu eignet sich zum Beispiel eine Verfügung in Form einer Bestattungsvorsorge.“ Auch empfiehlt sie, die persönliche Verbindung zum Meer frühzeitig schriftlich festzuhalten.
Des Weiteren ist in der Regel auch über den Sterbefall und die Beisetzung hinaus eine professionelle Betreuung möglich: Diese umfasst beispielsweise individuelle Angebote der Trauerbegleitung oder jährliche, persönliche Gedenkveranstaltungen – wie die Fahrten zum auf der Seekarte verzeichneten Beisetzungsort auf dem Meer.